Es war eine denkwürdige Stadtratssitzung am 28. Mai 2020, die zuversichtlich macht, wenn man sich die Entwicklung unserer Stadt vorstellt. Wir hatten ein Problem. Sogar ein richtig großes Problem und der gesamte Stadtrat arbeitete an seiner Lösung. Über Ortsgrenzen und über Parteigrenzen hinweg, und die Lösung wurde gefunden.
Worum ging es? In den letzten Tagen hatten sich die Aussagen zum Mihlaer Dr.-Ernst-Wiedemann-Bad verdichtet, dass eine Öffnung kaum noch möglich schien, obwohl das Bad personell und technisch im besten Zustand ist und die Mitarbeiter hochmotiviert die Saisoneröffnung vorbereitet haben. Die Aussagen von Frau Lippold, unserer amtierenden Bürgermeisterin, hierzu waren eindeutig: Wir dürfen ohne Haushalt für das Schwimmbad kein Geld ausgeben, das Bad muss geschlossen bleiben! Sie hatte sich dazu ein Gutachten der Kommunalaufsicht eingeholt, welches mit einer umfangreichen rechtlichen Begründung von der Öffnung des Bades abriet. In der Sitzung wiederholte Frau Lippold diese Auffassung und blieb fest bei ihrer Rechtsauffassung.
In Vorbereitung der Sitzung hatte wir als gemeinsame Fraktion der Bürger für Ebenshausen, der Freien Wähler Creuzburg und der UWG Mihla ganz selbstbewusst den Antrag gestellt, entgegen der Auffassungen der Rechtsaufsicht und Frau Lippold die Eröffnung des Mihlaer Bades zu beschließen.
In der Diskussion wurde dann sehr schnell deutlich, dass über alle Fraktionen des Stadtrates hinweg der übereinstimmende Wille herrscht, das Bad unbedingt zu öffnen. Den Argumenten des Antrages schlossen sich sehr schnell die Abgeordneten der SPD, der CDU und der FDP an. Die Verortung des einzelnen Abgeordneten, ob aus Creuzburg, Ebenshausen oder Mihla spielte dabei keine Rolle: Es ist unser aller Bad und wir wollen, dass es für unsere Bürger öffnet.
In einzelnen Wortbeiträgen wurde die Wichtigkeit des Bades besonders in den Zeiten der Corona-Pandemie hervorgehoben, es wurden die vergleichsweise geringen notwendigen Aufwendungen genannt und Hilfen und Spendensammlungen angeboten. Die Abgeordneten zeigten sich entrüstet, wie bürokratisch mit diesem zentralen Anliegen unserer Bürger umgegangen wird. Aber Frau Lippold blieb bei ihrem „Nein“ und verwies auf das Gutachten der Kommunalaufsicht: Es geht leider nicht!
Im Raum herrschte Verunsicherung: Was sollen wir machen? Wir wollen das Bad öffnen. Aber einen rechtswidrigen Beschluss fassen? Was sollen wir tun?
Diesen Konflikt nahm der Uwe Lüttge, Sprecher der UWG-Fraktion auf. Er hatte sich das Gutachten der Kommunalaufsicht im Detail vorgenommen und dessen Aussagen im Einzelnen kritisch betrachtet. In seinem Redebeitrag informierte er die Stadträte, dass die Kommunalaufsicht sehr wohl eine Möglichkeit sehe, die Mittel aufzubringen und das Bad zu öffnen. Dann nämlich, wenn die Ausgaben „unaufschiebbar“ seinen und ansonsten der Stadt ein erheblicher Schaden entstünde. Aber die Unaufschiebbarkeit sei eben nicht gegeben und der Eintritt eines Schadens auch nicht sicher zu erwarten. Daher rate man von der Badöffnung ab.
Herr Lüttge beschrieb, dass die Argumentation der Kommunalaufsicht ausschließlich finanzieller Art sei. Nachteil und Vorteil werden immer nur in Euro gemessen. Alle Gesetze, alle im Gutachten umfangreich zitierten Rechtsquellen und Kommentare wurden vor den Zeiten der Pandemie erarbeitet. Jetzt aber hat sich unsere Welt verändert: Sogar die EU beschließt eine Ausgabe von 750 Milliarden Euro, zu zahlen aus Steuern, die es noch gar nicht gibt. Eine ganze Weltwirtschaft wird angehalten, um Nachteile für Leben und Gesundheit abzuwenden.
Das bestärkt uns in der Überzeugung, dass auch wir Nachteile für unsere Bürger abwenden müssen. Und diese Nachteile vor allem für die Kinder wären in Zeiten geschlossener Schulen und Kitas und ausfallender Urlaubsreisen erheblich, wenn unser Bad geschlossen bliebe. Und die Saison beginnt jetzt. Daher sind die genannten Ausgaben für uns unaufschiebbar und die Öffnung des Schwimmbades ist nicht rechtswidrig.
Dieser Argumentation schlossen sich alle Abgeordneten an. Aus dem Antrag der Fraktion der Bürger für Ebenshausen, der Freien Wähler Creuzburg und der UWG Mihla wurde ein gemeinsamer Antrag aller Fraktionen im Stadtrat. Es wurde als Eröffnungsdatum des Bades der 15 Juni hinzugefügt und der Antrag im Stadtrat einstimmig angenommen. Die Eröffnung des Schwimmbades zum 15. Juni 2020 ist somit beschlossen.
Ist jetzt alles gut?
Wir wissen es nicht. Wir haben der Rechtsauffassung von Frau Lippold und der Kommunalaufsicht widersprochen und sind einer Empfehlung sehr selbstbewusst nicht gefolgt. Dieser Beschluss könnte jetzt als rechtswidrig beanstandet und sein Vollzug ausgesetzt werden. Es bleibt abzuwarten, was Frau Lippold und die Kommunalaufsicht jetzt unternehmen. Gehen wir einfach einmal davon aus, dass diese unsere demokratisch gefasste, einstimmige Entscheidung respektieren.
Auf jeden Fall haben wir als Stadtrat gemeinsam unsere Aufgabe angenommen und zu Gunsten unserer Bürger gegenüber der Verwaltung genau das Selbstbewusstsein gezeigt, für das wir gewählt wurden.
Und das macht Mut.
Uwe Lüttge
Sprecher der UWG-Fraktion im Stadtrat Amt Creuzburg